Notarztmangel - Stellungnahme der ÖGARI März 2018:

Die prähospitale Notfallmedizin wurde in den vergangenen 20 Jahren in Österreich zu hoher Reife gebracht; organisatorische und strukturelle Dimensionen weisen europäisches Niveau auf. Demgegenüber stehen Defizite in der notärztlichen Ausbildung: zwar haben sich viele Kliniken in der Umsetzung der notärztlichen Ausbildung an Vorbildern in Deutschland oder der Schweiz orientiert, eine zeitgemäße  gesetzliche Grundlage für den Erwerb wichtiger notfall-medizinischer Kompetenzen fehlt jedoch seit langem. So beinhalten die Vorgaben zum Notarztkurs österreichischer Provenienz lediglich ein kursorisches, theoretisches Curriculum und den Erwerb praktischer Fertigkeiten an Simulationsmodellen; klinische Ausbildung in Anästhesie und/oder Intensivmedizin ist hingegen nicht vorgesehen.

Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) hat schon 2009 ein Reformkonzept präsentiert, welches vom Notfallreferat der Österreichischen Ärztekammer adaptiert und dem Gesundheitsministerium 2012 für die Reformierung der Notarztregelung (§ 40 des Österreichischen Ärztegesetzes) vorgeschlagen wurde. Träger Fristenlauf brachte es mit sich, dass noch vor einer Umsetzung im Jahr 2015 die neue Österreichische Ärzteausbildung in Kraft trat. Der damit völlig veränderter Zugang zur ärztlichen Tätigkeit bringt auch eine Verschärfung des durch Arbeitszeitgesetz und allgemeinen Ärztemangel Defizits an Notärzten.

Die ÖGARI hat als notfallmedizinische Fachgesellschaft im Jahr 2016 für das Gesundheitsministerium fachliche Kriterien erarbeitet, unter denen notärztliche Tätigkeit auch für Assistenzärzte möglich wäre. Im Diskurs der Fachgesellschaft, der ÖÄK und dem Ministerium wird nun seit mehr als zwei Jahren intensiv versucht, die dafür geeignete rechtliche Basis zu finden. Dies scheint mittlerweile auch gelungen; der Widerstand der Bundes-Ärztekammer hat aber bis dato eine endgültige Lösung dieser Problematik verhindert.

Im kürzlich erschienenen "Der Anaesthesist" berichten Prim. Dr. Helmut Trimmel und Kollegen von der ÖGARI-Sektion Notfallmedizin die aktuellen Entwicklungen zur Reform der Notarztausbildung und zeigen, wie die notärztliche Versorgung in Österreich für die Zukunft gesichert werden kann.

Trimmel et al, Reform der Notarztausbildung in Österreich, Der Anästhesist Februar 2018, 67(2):135-143

Stellungnahme der ÖGARI zum Notärztemangel Stand März 2015

Die aktuelle Reform des KA-AZG hat die Diskussion um einen zu befürchtenden Notärztemangel zweifellos um eine Facette bereichert. Leider ist die Thematik aber nicht so einfach, um sie mit einer „kleinen Änderung des ASVG“ zu lösen, wie dies etwa vom Präsidenten des ÖRK unlängst gefordert wurde. Dazu bedarf es grundlegender Reformen, die weit über die Frage des Anstellungsverhältnis hinausgehen. Sie müssten sich vor allem mit folgenden Eckpunkten beschäftigen:

  1. Attraktivität des Berufsbildes Notarzt/Notärztin: dazu zählen die längst überfällige Reform des § 40 ÖÄG für eine zeitgemäße Notarzt-Ausbildung ebenso wie eine stärkere  Einbindung des notärztlichen Dienstes in klinische Versorgungseinrichtungen. Für die differenzierten Bedürfnisse unterschiedlicher Organisationsformen im österreichischen Notarztwesen sind ergänzend auch tragfähige Modelle der freiberuflichen Leistungserbringung erforderlich. Grundvoraussetzung muss die adäquate Abgeltung der notärztlichen Leistung sein, für die auch rechtlich einwandfreie Modelle geschaffen werden können, ohne „Hintertüren“ zu benötigen.
  2. Eine klare Trennung zwischen Notarztdienst und ärztlichem Bereitschaftsdienst: Visitentätigkeit fällt in den hausärztlichen Bereich bzw. in dafür geschaffene Ersatzstrukturen (Ärztenotdienst). Qualifizierte Notärzte werden für diese Tätigkeiten nicht zur Verfügung stehen.
  3. Evaluierung der Standortdichte unter Einbeziehung des nichtärztlichen Rettungsdienstes. Durch Erhöhung des Qualifikationsniveaus des Rettungsdienstpersonals könnte die aktuell zu hohe Anzahl an wenig oder nicht indizierten Notarzteinsätzen deutlich reduziert werden. Auch die Einsatzdisposition  hat hier ganz wesentlichen Anteil.

Das sich verändernde Gesundheitswesen braucht neue Organisationsformen; die Änderungen der Ärzteausbildungsordnung werden bald weitere neue Herausforderungen für die Sicherstellung der Notfallversorgung bringen. Angesichts der seit Jahren rückläufigen Verfügbarkeit von Ärzten im öffentlichen Gesundheitswesen ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Will die Politik eine qualifizierte notärztliche Versorgung auf dem aktuellen Niveau nachhaltig sicherstellen, wird es wohl mehr bedürfen als der angesprochenen „kleinen Änderung des ASVG“.
 

Letzte Aktualisierung am 21.03.2018

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