von Prim. Priv.-Doz. Dr. Helmut Trimmel, MSc(1), Univ.-Prof. Dr. Gerhard Prause(2), Univ.-Prof. Dr. Michael Baubin, MSc, FERC(3), OA Dr. Bernhard Ziegler(4), OA Dr. Günther Frank(5) für die Sektion Notfallmedizin der ÖGARI
1 Abteilung für Anästhesie, Notfall- und Allgemeine Intensivmedizin, Landesklinikum Wr. Neustadt
2 Klinische Abteilung für Allgemeine Anästhesiologie, Notfall- und Intensivmedizin, MedUni Graz
3 Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, MedUni Innsbruck
4 Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, LKH Salzburg
5 Anästhesiologie und Intensivmedizin, Landesklinikum Horn
Die prähospitale Notfallmedizin in Österreich hat in strukturellen und organisatorischen Dimensionen und seit 2019 auch hinsichtlich der Vorgaben zur ärztlichen Ausbildung europäisches Niveau. Hier wurde zum einen auf die Erfordernisse der Ärzteausbildung 2015 reagiert und die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass Assistenzärzte nach 33 Monaten postpromotioneller klinischer Ausbildung notärztlich tätig werden können. Zum anderen wurden – endlich – auch klinische Praxis und ein entsprechender Skills-Katalog in die Ausbildungsordnung integriert. Im Rahmen der Gesetzwerdung wurden auch die daraus entstehenden Kosten im Vergleich zur aktuellen Ausbildungssituation berechnet. Das neue Modell fand dahingehend bei Ländervertretern, Krankenanstaltenträgern und politischen Entscheidungsträgern Zustimmung. Für etwas Unruhe sorgten kurz vor Inkrafttreten der in Ergänzung zum Gesetz zu erlassenden Verordnung der Österreichischen Ärztekammer noch die Kosten der nunmehr österreichweit einheitlichen und kommissionellen Notarztprüfung. Diese wurden zunächst mit € 1.200,‒ von der ÖÄK festgelegt, mittlerweile jedoch auf € 620,‒ revidiert.
Im Folgenden sollen Kernpunkte der neuen Regelung skizziert und Empfehlungen zur Umsetzung der „Notarztausbildung neu“ gegeben werden.
Die neue Notarztausbildung
Das im November 2018 veröffentlichte Gesetz zielt darauf ab, Ärzte für den organisierten Notarztdienst vor allem in Hinblick auf ihre klinischen Kompetenzen besser zu qualifizieren. Als Mindestvoraussetzung für eine Tätigkeit als Notarzt oder Notärztin werden 33 Monate postpromotioneller Ausbildung gefordert. Eine fixe zeitliche Bindung dieser Zeit an besondere Fächer wurde zugunsten einer inhaltlichen Definition der zu erwerbenden Kenntnisse und Fertigkeiten fallen gelassen. Diese Vorgaben orientieren sich einerseits an publizierten Kennzahlen und Lernkurven, andererseits an der Realisierbarkeit im Rahmen der klinischen Ausbildung. Mit der Neudefinition der Lehrinhalte wurde der Anschluss an das europäische Ausbildungsniveau erreicht. Details sind auf der Homepage der Österreichischen Ärztekammer abrufbar. Als wichtiger Schritt ist die Implementierung verpflichtender, supervidierter Lehreinsätze zu sehen, wodurch eine praktische Ausbildung angehender Notärzte unter Einsatzbedingungen (Einsatztätigkeit) gesetzlich festgeschrieben wurde.
Weiters wurde (zum Teil implizit) festgelegt, dass
Umsetzung
Aktuell erfüllen bereits in einigen Bundesländern Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung die Voraussetzungen zum Ablegen der Notarztprüfung nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen: Die erste Prüfung fand am 18.12.2019 in Wien statt, dabei traten elf Kandidaten an – ein Allgemeinmediziner und zehn Anästhesistinnen und Anästhesisten. Für März, September und Dezember 2020 gibt es bereits Terminvorschläge und Anmeldungen von Prüfungsanwärtern. Dabei erscheint das Erfüllen des klinischen Curriculums manchem angehenden Notarzt, aber auch den interessierten Abteilungsvorständen der Anästhesie- bzw. internen Abteilungen als durchaus große Herausforderung. Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin möchte mit dieser Empfehlung dazu etwas Hilfestellung geben.
Der Einstieg
Bereits unmittelbar nach Beginn der postpromotionellen Ausbildung sollten interessierten Kolleginnen und Kollegen Inhalt und Umfang der Notarztausbildung vermittelt werden. Idealerweise kann dies in der – ebenfalls gesetzlich festgelegten – Basisausbildung im Rahmen der ÄAO 2015 erfolgen. Hier normiert § 6 (2) lit 2 die Ausbildung zur Bewältigung von innerklinischen Notfällen. Einige Bundesländer bieten dazu (teilweise sogar verpflichtende) Kurse an, in deren Rahmen die Notarztausbildung erläutert und das entsprechende Curriculum bzw. Rasterzeugnis übergeben werden kann.
Kosten
Wie im Rahmen der vorbereitenden Gespräche (§-40-Kommission) beschlossen, sollen die Kosten der Notarztausbildung von den öffentlichen Rechtsträgern übernommen werden. Dies umfasst sowohl die klinische Ausbildung als auch die Einsatzpraxis unter Supervision (Dienstzeit!). Auch die Kosten für den Notarztkurs werden (zum Teil ohnedies schon seit vielen Jahren) von Rechtsträgern übernommen – die nun zusätzlich eingehobene Prüfungsgebühr kam wie erwähnt vergleichsweise unerwartet. Dennoch – Notfallmedizin ist ein wesentlicher Teil der Daseinsfürsorge (siehe ÖSG) und somit Aufgabe der öffentlichen Hand. Damit ist wohl auch eine Kostenübernahme für den vollen Ausbildungsumfang (also inkl. der Prüfungsgebühren) gut argumentierbar.
Erste Erfahrungen
Bereits in den neun Monaten der Basisausbildung muss damit begonnen werden, so viele notfallmedizinische Fertigkeiten wie möglich zu erwerben (zum Beispiel Geburtsbegleitung, EKG-Befundung, Neurostatus etc.). In Ergänzung zu den im Rahmen der Basisausbildung (siehe oben) vermittelten Kenntnissen sollten der Notarzt-Kurs und alle Inhalte (Fertigkeiten) des Rasterzeugnisses jedenfalls vor dem Beginn der supervidierten Einsatzfahrten absolviert sein – idealerweise also etwa zwischen dem 18. und 24. Monat der postpromotionellen Ausbildung.
Der Beginn der supervidierten Einsatzfahrten wird erst danach empfohlen, sollte jedenfalls aber im dritten postpromotionellen Jahr angestrebt werden. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass ein Absolvieren von 20 Ausfahrten mit NACA ≥2 (ohne reine Todesfeststellung) an manchen Notarzt-Standorten aufgrund geringer Einsatzdichte längere Zeit benötigen kann.
Nach 30 Monaten kann dann die Prüfungsanmeldung (ca. zehn Wochen vor dem Prüfungstermin), und im 33. postpromotionellen Monat das Ablegen der Notarztprüfung erfolgen. Dieses Modell wurde etwa in Tirol und in der Steiermark (hier unter Anwendung eines zweistufigen Kurskonzepts) bereits realisiert (Abb. Modell Steiermark).
Ergänzend darf erwähnt werden, dass die Notarztausbildung und die Prüfung für Ärzte vor bzw. nach Erreichen des ius practicandi ab 2022 in gleicher Weise erfolgt; es werden daher auch bereits jetzt idente Notarztdiplome ausgestellt. Die gesetzlich festgelegte Beschränkung der Tätigkeit auf klinikgebundene Systeme vor Erlangen der selbstständigen Berufsberechtigung ist selbstverständlich von Notarztsystem-Providern sowie vom einzelnen Arzt zu beachten.
Ein noch zu lösendes Problem stellt die Anerkennung von ausländischen Notarztausbildungen für die Tätigkeit als Notarzt in Österreich dar. Insbesondere wird zu hinterfragen sein, ob ein im Ausland qualifizierter Notarzt die österreichische Notarztprüfung jedenfalls zu absolvieren hat. Praxisorientierte Richtlinien dazu gilt es in naher Zukunft in den Gremien der Österreichischen Ärztekammer zu erarbeiten, da speziell im Westen Österreichs eine nicht unbeträchtliche Zahl deutscher Kollegen in die notärztliche Versorgung mit eingebunden ist.
Spezialisierung Notfallmedizin
Die ÖGARI bemüht sich weiters um eine über die nun beschlossene Notarztausbildung hinausgehende Weiterentwicklung der notfallmedizinischen Kompetenz und Qualifikation, speziell für Aufgaben der innerklinischen Notfallmedizin und für Leitungsaufgaben. Angedacht ist – aufbauend auf ein bereits erlangtes Notarzt-Diplom – eine „Spezialisierung Notfallmedizin“. Durch eine 24-monatige klinische Ausbildung nach Erlangen des ius practicandi als Fachärztin bzw. Facharzt oder Ärztin bzw. Arzt für Allgemeinmedizin sollte eine entsprechende Kompetenzerweiterung ermöglicht werden. Dies gilt für alle notfallmedizinisch aktiven Disziplinen, also neben der Anästhesie und der Inneren Medizin zum Beispiel auch für die Traumatologie, die Chirurgie oder die Neurologie. Die gemeinsam mit der Austrian Association for Emergency Medicine (AAEM) entwickelte Ausbildung kann und soll auch als sinnvolle Alternative zum Ausbildungsmodell eines Facharztes für Notfallmedizin verstanden werden. Bei vergleichbarem Niveau an Fachkompetenz wird dadurch eine breitere Einbindung notfallmedizinisch relevanter Fächer ermöglicht; zudem kann der einzelnen Ärztin bzw. dem einzelnen Arzt ein größeres berufliches Entwicklungsspektrum geboten werden. Ein gewisser Teil des klinischen Curriculums dieser „Spezialisierung Notfallmedizin“ könnte auch im Hauptfach absolviert werden (zum Beispiel sechs Monate Intensivmedizin oder Notaufnahme). Das Ausbildungsmodell ist dem aktuell bereits in Umsetzung befindlichen deutschen Modell einer Zusatzbezeichnung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ durchaus ähnlich.
Tabelle 1: Ausbildungsinhalte § 40 neu (Logbuch)
Legende:
Inhalte der klinisch-praktischen Ausbildung zur Erlangung des Notarztdiploms in Österreich. Diese können im Laufe der postpromotionellen Ausbildung absolviert werden und sind nicht an eine definierte zeitliche bzw. fachliche Bindung an eine bestimmte Abteilung gebunden. Sie müssen jedoch vor Aufnahme einer notärztlichen Tätigkeit nachgewiesen werden.
CPAP = Continuous Positive Airway Pressure
ISS = Injury Severity Score
GCS = Glasgow Coma Scale
Abbildung 1: Ärzteausbildung in Österreich (ÄAO 2015)
Legende:
Übersicht zur Ausbildung von AllgemeinmedizinerInnen bzw. FachärztInnen gemäß der Österreichischen Ärzteausbildungsordnung (ÄAO) 2015
Legende:
Theoretische bzw. praktische Lehrinhalte des geplanten neuen 80-stündigen Notarztkurses
BLS = Basic Life Support
ALS = Advanced Life Support
Literatur:
Fischer M et al. Eckpunktepapier 2016 – zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in der Prähospitalphase und in der Klinik. Der Notarzt. Georg Thieme Verlag; 2016;32:154–4.
Österreichisches Ärztegesetz 1998. [cited 2018 Feb 10]. Available from: rdb.manz.at/document/ris.n.NOR40049274?execution=e1s2&highlight=Notarzt
Konrad C et al. Learning manual skills in anesthesiology: Is there a recommended number of cases for anesthetic procedures? Anesthesia & Analgesia. 1998;86:635–639.
Schüpfer GK et al. Manual skills in anaesthesiology. Der Anaesthesist. 2003;52:527–534.
Petrino R. A curriculum for the specialty of emergency medicine in Europe. European Journal of Emergency Medicine. 2009;16:113–114.
Erschienen in den Anästhesie Nachrichten 2/2020
Letzte Aktualisierung am 09.07.2020
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